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Über die Verknüpfung von Schuld und Helfen
Mit einer Kollegin unterhielt ich mich kürzlich über die Verknüpfung von Schuld und Helfen, im Rahmen des Krieges in der Ukraine und der Hilfe die viele aktuell leisten. Ein interessanter Gedanke.
Ich persönlich denke, dass es schlimm wäre, wenn Nächstenliebe und Selbstwirksamkeit vordergründig auf Schuld basieren würden - andererseits: so what? Vielleicht ist das bei einigen Menschen die verdeckte, unbewusste Motivation, genau so wie die Befriedigung eines narzisstisch geprägten Charakters, oder einfach nur der Versuch des verzweifelten Befüllens innerer Leere. Ich denke die Verknüpfungen sind so vielseitig wie die Menschen selbst. Und am Ende ist es vielleicht egal: hauptsache es wird geholfen. Ich selbst empfinde es als völlig natürlich zu helfen, nicht zuletzt kam der ein oder andere von uns auch schon in die Situation Hilfe - wie auch immer geartet - zu brauchen, und hat sie möglicherweise auf selbstlose Art erhalten. Ich denke, dass das Weitergeben der Zauber ist (sofern man es so nennen will). Ich persönlich erwarte keine Dankbarkeit sondern hab den Wunsch, dass Hilfe weitergetragen wird. Die Menschen die geflohen sind und die ich kennengelernt habe packen es nur schwer. Packen es schwer, einfach gerade Hilfe und Unterstùtzung ohne Gegenleistung und Erwartung zu bekommen. Aber ich bin sicher - sollte ihnen im Leben ein hilfebedürftiger Mensch oder eine Situation begegnen, werden sie sich erinnern -und entsprechend bewerten, vielleicht sogar handeln.
Und das ist es doch, was uns als menschliche Wesen zu einem liebevollen Miteinander führt. Was uns daran erinnert, wer wir sein können. Was wir gemeinsam bewirken können.
Das Corona-Chaos des ICH – und wie einfache, psychodramatische Methoden helfen können
Ein Text inspiriert von Reinhard T. Krüger „Ängste und Stress infolge der Corona-Krise“, Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie.
Eine Krise wie Corona verarbeitet jeder anders.
Manche Menschen werden kreativ und explorativ, entdecken Neues und finden ungekannte Lösungsansätze, frei nach dem Motto: die Not macht erfinderisch. Sie nehmen das Leben um sich herum wieder intensiver wahr und empfinden eine Entschleunigung des Alltags. Der weitaus größere Teil der Menschen reagiert jedoch mit starker Verunsicherung, Zweifeln, Ängsten und wachsendem Misstrauen.
Eine generelle Auswirkung ist, dass universelle Probleme in der Gesellschaft stark hervortreten, wie unter einem Brennglas, die persönlichen Ängste befeuernd. Ein wackeliger Teufelskreis von Angst und Stress ist schnell aufgebaut. Mal subtil, mal kraftvoll zupackend. Momente wachsen zu Situationen, Situationen zu Phasen, Phasen werden zu Etappen. Das Ganze bekommt eine traumatisierende Qualität.
Schnelle Hilfe in Sicht?
Leider nein. Die Anfragen nach Therapieplätzen explodieren, 6 Monate Wartezeit für eine Psychotherapie gab es schon vor der Corona Krise, mittlerweile geht es weit darüber hinaus.
Insbesondere gibt es zu wenig oder zu schwer erreichbare Hilfsangebote für Menschen, die nicht ernsthaft psychisch krank sind, aber unter den psychischen Auswirkungen der Pandemie leiden und ihren Alltag kaum noch bewältigt bekommen. Aber gerade für diese Menschen wäre eine rechtzeitige Stabilisierung so wichtig, bevor sich eine ernsthafte psychische Erkrankung entwickelt.
Doch der Reihe nach.
Wie weitreichend können die Auswirkungen sein?
Eine traumatisierende Situation, ist eine Situation...
1. in der man nicht kämpfen kann
2. aus der man nicht fliehen kann
3. in der man einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt ist
Übersetzt auf die Corona-Krise bedeutet das die Bedrohung durch Tod, Vereinsamung, durch den drohenden Verlust von Bezugspersonen, durch Existenzangst oder durch Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit als Kranker.
Konkret zeigen sich u.a. folgende psychische Belastungsfaktoren:
1. Bedrohung durch Krankheit oder Tod
2. Verlustangst: Bezugspersonen erkranken oder sterben
3. Einsamkeit
4. Distanzierung
5. Emotionale Anspannung
6. Perspektivlosigkeit
7. Misstrauen
8. Existenzangst
9. Unausweichlichkeit
10. Kein genügender Ausgleich
Das sind ernstzunehmende Faktoren. Wenn es schwierig wird, Hilfe kurzfristig und im benötigten Umfang zu bekommen, bildet das Entwickeln und Ausbauen von Selbststabilisierungstechniken einen essenziellen Hebel.
Die Lösung: Psychodramatisch orientierte Selbststabilisierung
Psychodramatisch orientierte Selbststabilisierung funktioniert über Techniken, die man in wenigen Sitzungen erlernen kann und für die man nicht eine ständige Begleitung durch einen Therapeuten benötigt. Somit stellen sie einen kleinen Beitrag zur Lösung des Dilemmas zwischen zu wenig Therapieplätzen und Hilfsangeboten und den nicht zu unterschätzenden psychischen Auswirkungen der Corona-Krise dar.
Selbststabilisierung kann nur auf einem entsprechenden Nährboden funktionieren. Denn schließlich sollen diese Handlungen nachhaltig und wiederkehrend helfen durch schwierige Situationen und aus der existenziellen Not einer traumatisierenden Situation oder eines Traumafilms herauszukommen.
Die Theorie: Was kann Therapie oder Beratung leisten?
Durch den Widerspruch zwischen Alltags-Wirklichkeit und Corona-Wirklichkeit entwickeln wir Menschen eine mehr oder weniger starke Ich-Konfusion zwischen Bewältigungs-Ich und Angst-Ich. Die durch das Corona-Virus entstandenen Bedrohungen und Ängste lassen sich nur durch reale Schutzmaßnahmen reduzieren. Real begründete Ängste kann man vermindern, indem man REAL etwas dagegen unternimmt. Es tut der Seele gut, durch äußeres Handeln real die Bedrohung zu drosseln. Aber auch das Alltags- bzw. Bewältigungs-Ich will gelebt sein, sonst werden wir Menschen psychisch krank.
Idealerweise entwickeln wir in der Corona-Krise die Fähigkeit zwischen dem Bewältigungs-Ich und dem Angst-Ich frei hin und her zu wechseln. Wir vollziehen dabei eine kreative Ich-Spaltung im Dienst unseres Ichs. Die Fähigkeit zur kreativen Ich-Spaltung zwischen Bewältigungs-Ich und Angst-Ich ist das Ziel der Therapie oder Beratung, damit sich Selbststabilisierung entwickeln und abgerufen werden kann – das Ziel ist nicht, dass der Klient keine negativen Gefühle mehr hat.
Manche Menschen haben Mühe mit dem Wechsel zwischen dem Bewältigungs-Ich und dem Angst-Ich. Sie sind durch Traumata oder Defiziterlebnisse in der Kindheit in einen starren Selbstschutz durch Anpassung oder Grandiosität fixiert. Diese starre Abwehr hilft ihnen, negative Gefühle von Ausgeliefertsein, Minderwertigkeit oder Ohnmacht abzuspalten und auf diese Weise nicht in den Traumafilm aus der Kindheit abzugleiten. So wird einem Kindheitstrauma oft keine Bedeutung gegeben. In der Corona-Krise verstärkt sich dieser starre Selbstschutz gegen negative Gefühle.
Die Praxis: Ein einfaches Vorgehen mit großer Wirkung: Die psychodramatische 2-Stühle-Technik
Der Therapeut stellt neben dem Patienten einen Stuhl für dessen Selbstrepräsentanz, d.h. die Angst im Corona-Konflikt. Ein weiterer Stuhl wird dem Patienten gegenübergestellt, dieser steht für das Corona Virus.
Der Patient soll Ängste und Stressfaktoren, die er zurzeit hat, mit Gegenständen auf dem Angst-Stuhl symbolisieren. Beispiele können sein:
1. Finanzielle Existenzangst
2. Angst vor dem Verlust der Eltern/Freude
3. Angst selbst zu erkranken oder
4. Angst vor Kontrollverlust über das eigene Leben
5. Angst, die Regeln nicht (richtig) zu befolgen
Der Therapeut fordert den Patienten auf, das Ausmaß jeder Angst auf einer Skala von 0 bis 10 festzulegen. Danach werden evt. die Symbole nochmals ersetzt – einzelne massive Ängste bekommen einen großen Gegenstand, z.B. einen Papierkorb. Dadurch wird die Größe der Angst gewürdigt.
Der Patient wechselt einmal auf den Angststuhl und lässt die schlimmste Angst zu. Der Patient wechselt wieder ins Alltags-Ich. Der Therapeut fragt: Wie gehen Sie damit um, wenn Sie Ihre schlimmste Angst fühlen? Was tut Ihnen gut? Der Patient schreibt sich die selbst gefundenen Handlungen auf ein Papier und legt dieses auf den Tisch. Der Therapeut wertet dabei unauffällige oder scheinbar neurotische Verhaltensweisen radikal positiv um und kann aus dem Verzeichnis der Selbststabilisierungstechniken** weitere Anregungen geben.
Durch das Aufstellen von Gegenständen, die die Ängste repräsentieren, kann sich der Patient aus der inneren Lähmung befreien. Er gibt seinen Ängsten dadurch in erster Linie Berechtigung und distanziert sich gleichzeitig von ihnen. Die eigenen Kompetenzen werden wieder zugänglicher und stehen zu anderen Zeiten wieder zu Verfügung.
Beispiele für Selbststabilisierungstechniken
Der Patient wird angeregt ein schriftliches Verzeichnis von Handlungen im Alltag zu erstellen, die ihm guttun. Die Punkte werden nummeriert, auch kleine Dinge werden auf die Liste aufgenommen. Die Liste wird laufend ergänzt.
Zum Beispiel körperliche Aktivität. Es gibt konkrete körperliche Selbststabilisierungstechniken, die Atmungs- und Achtsamkeitsübungen mit einbeziehen. Online-Angebote für sportliche Inspiration gibt es genug, Bewegung an der frischen Luft tut gut. In der Traumatherapie ist Sport eine bekannte Methode zur psychischen Stabilisierung. Oder: Der Patient stellt situativ neben sich einen Stuhl für das Angst-Ich. Der Stuhl, auf dem er sitzt, ist das gesunde Bewältigungs-Ich. Er wechselt auf den Stuhl des Angst-Ichs und legt seine Liste mit Selbststabilisierungspunkten auf den Stuhl des Bewältigungs-Ich. Dann liest er seine Liste durch, das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit wird geringer durch die bewusste Auseinandersetzung und durch den Wechsel der Rollen.
Wenn der Patient von der Rolle des Bewältigungs-Ich in die Rolle des Angst-Ich wechselt und zurück, werden in jedem der beiden Ich-Zustände die jeweils zugehörigen Denk-, Fühl- und Handlungsmuster aktiviert. Dadurch lernt der Patient, psychosomatisch zwischen den beiden Ich-Zuständen zu unterscheiden. Die Fähigkeit zur kreativen Ich-Spaltung zwischen Bewältigungs-Ich und Angst-Ich wird entwickelt.
Das ist ein einfaches psychodramatisches Vorgehen mit großer Wirkung. Es hebt die metakognitive Störung der Ich-Konfusion auf, indem es den unbewussten Wechsel zwischen Angst-Ich und dem gesunden Bewältigungs-Ich mit Hilfe der Zweistühle Technik im ALS OB MODUS DES SPIELS nachvollzieht.
Therapeuten und Berater sind gefragt, ihr Augenmerk auf den Mechanismus der individuellen Ängste, ihre Auslöser und das Zusammenspiel einzelner relevanter Einflussfaktoren, die zur Grundbelastung führen, zu richten – und damit auch ihrerseits mit den spezifischen Eigenarten dieser Zeit umzugehen. Nicht nur in Hinblick auf Patienten und Klienten, sondern auch mit Blick auf sich selbst!
Denn eines haben wir alle gemeinsam: Die gegenwärtige Corona-Krise ist für Patienten, Therapeuten und Berater eine Chaossituation. Was hilft, ist die Entwicklung und Stärkung der Fähigkeit zur Ich-Spaltung, um Selbststabilisierung möglich zu machen!
*Psychodrama: Das Psychodrama steht international für ein humanistisches psychotherapeutisches Verfahren, welches das Ziel hat, die körperliche, seelische und soziale Gesundheit des Menschen zu fördern, zu erhalten, wiederherzustellen oder zu verbessern. Konzipiert wurde das Psychodrama im Wien des 20. Jahrhunderts von dem Psychiater und Psychotherapeuten Dr. Jacob Levy Moreno. Morenos Kerngedanke war es, Rollenvielfalt zu ermöglichen. Psychodrama ist eine Methode der handelnden Darstellung des inneren Erlebens eines Menschen.
Mehr Informationen zum Psychodrama sowie Aus- und Weiterbildung: https://www.moreno-psychodrama.de
**Verzeichnis der Selbststabilisierungstechniken siehe Original-Artikel „Ängste und Stress infolge der Corona-Krise“, Reinhard T. Krüger, Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie (09/2020)
Kontakt:
Isabel Anders-Brodersen
heilkundliche Psychotherapie
+49 175 565 65 93
[email protected]
www.praxis-anders-brodersen.de
https://www.instagram.com/praxis_psych https://www.facebook.com/praxisandersbrodersen
Für wen ist eine Online Beratung geeignet?
- Sie sind viel unterwegs und haben kaum Gelegenheit, sich einen Berater in Ihrem Wohnort zu suchen
- Sie müssen auf einen Termin für eine Therapie warten und benötigen während dessen Unterstützung in Form von Stabilisierung
- Sie wollen sich den Aufwand für die Anreise in eine Praxis sparen
- Sie wissen noch nicht genau, ob Sie professionelle Unterstützung brauchen
- Sie wollen selbst entscheiden, welcher Kommunikationsweg wann für Sie der hilfreichste ist (Sprechen, Schreiben oder Video)
- Sie sind unsicher, wie sich das anfühlt, mit einem psychologischen Berater über die eigenen Herausforderungen zu sprechen und wollen das erst einmal unkompliziert ausprobieren
Coaching oder Therapie?
Ein professionelles, psychodynamisches Coaching hilft in grundsätzlichen Fragen zu bestimmten Lebensbereichen und Themen, wie zum Beispiel Beziehung, Familie, Umbrüche und Verluste, Identität, Rollen, sexuelle Orientierung und Beruf bzw. Probleme im Berufsumfeld.
Es handelt sich um Lebensphasen und -situationen, die mit einem großen Leidensdruck einher gehen können und doch (noch) nicht den Kriterien einer Erkrankung entsprechen. Zum Beispiel weil die Beschwerden noch nicht lange genug andauern und ein Zeitkriterium nicht erfüllt ist.
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